... mehr zu Traumatherapie  

Jeder Mensch erfährt im Laufe seines Lebens eine Reihe von körperlichen Verletzungen und Schmerzen, erlebt  soziale Kränkungen, bittere Enttäuschungen und Verluste oder Trennungen von geliebten Personen. Dies alles sind seelische Verletzungen, die weh tun und, wenn man rein sprachlich vorginge, als Traumata bezeichnet werden könnten und teilweise auch werden - das griechische Wort “Trauma” bezeichnet eben “Verletzung”. Die normale Folge einer solchen Verletzung ist eine Zeit voller Bedrücktheit und Kummer, was, wohlgemerkt, eine normale Reaktion ist und keineswegs eine Depression. In der Regel erholt sich die verletzte Person nach einer gewissen Zeit und findet zu ihrer ursprünglichen seelischen Verfassung zurück.

Schwerwiegende oder häufige Traumata in der Kindheit wirken sich deutlich auf die weitere Persönlichkeitsentwicklung aus und sind oft Ursache späterer seelischer Störungen. Psychotherapie beschäftigt sich schon seit ihren Anfängen im ausgehenden 19-ten Jahrhundert mit solchen länger zurückliegenden Traumatisierungen und bemüht sich, deren negative Folgen für die betroffene Person zu minimieren.

Im Zusammenhang von Traumatherapie sprechen wir von Erlebnissen, die so bedrohlich oder schmerzhaft und so schwerwiegend oder anhaltend sind, dass die Verarbeitungsfähigkeit der Person überfordert ist und eine spontane Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichts nicht gelingt. Kurz zusammengefasst heißt es in den offiziellen Diagnose-Richtlinien: ein Trauma ist “... ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaßes ..., die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Hierzu gehören eine durch Naturereignisse oder von Menschen verursachte Katastrophe, eine Kampfhandlung, ein schwerer Unfall oder Zeuge des gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen zu sein. “(ICD-10).

Traumata im Erwachsenenalter können zu lang anhaltenden, schweren seelische Beeinträchtigungen mit heftigen Ängsten, Störungen im Selbsterleben und zur Depression führen. Im günstigsten Fall kann eine schon kurz nach dem entsprechenden Ereignis einsetzende Behandlung die Entwicklung einer langfristigen Störung vermeiden helfen. Dies ist der Einsatzbereich der Traumatherapie im engeren Sinne, die sich im methodischen Vorgehen von der Behandlung traumatischer Kindheitserfahrungen im Rahmen der tiefenpsychologischen oder analytischen Psychotherapie unterscheidet. Nach verbreiteter Auffassung werden in der Traumatherapie drei Phasen der Behandlung unterschieden: die Stabilisierung, die Traumakonfrontation und die abschließende Integration.

Zur Stabilisierung gehört, dass eine heftige akute Symptomatik (z.B. häufige Panikzustände), durch die die Bewältigung des Alltags misslingt, so weit gemildert wird, dass Phasen der Ruhe und Rückbesinnung möglich sind. Hierzu ist die Aktivierung vorhandener seelischer Kräfte und das Erlernen einer gewissen Kontrolle über dissoziative Prozesse hilfreich, ggf. auch mit medikamentöser Unterstützung. Im Fall familiärer Gewalt gehört zur Stabilisierung auch, dass kein weiterer Täterkontakt stattfindet und reale Sicherheit eintritt.

Bei der Traumakonfrontation geht es nicht darum, einfach in die Erinnerung der schrecklichen Ereignisse zu gehen  - womöglich oft wiederholt -, etwa nach der bisweilen salopp formulierten Devise, “da muss man nochmal durch”. Dies könnte leicht zu einer Verfestigung der bisherigen Verarbeitungsschwierigkeiten führen und das Leiden eher verschlimmern als verbessern. Traumakonfrontation im therapeutischen Sinne setzt eine emotional sichere innere Einstimmung voraus, aus der heraus eine behutsame Annäherung an die bedrohlichen Erinnerungen erfolgt. (Ich persönlich verwende in meiner Arbeit hierzu spezielle dissoziative Techniken.) Nur so kann sich eine neue Sichtweise der Ereignisse entwickeln, die das Überstehen oder Überleben in den Vordergrund rückt und hieraus neue Kräfte für die Gegenwart und die Zukunft entstehen lässt.

Mit Integration ist dann vor allem die Verankerung der neu bewerteten Traumaerlebnisse und deren Bewältigung in ein vollständiges Bild der eigenen Lebensgeschichte gemeint, wobei diese neuen Sichtweisen und Kräfte auch für den Alltag nutzbar werden können. Auch die Entwicklung einer ganz konkreten, neuen Zukunftsperspektive kann hilfreich sein.

Natürlich will ich an dieser Stelle keinen Überblick über die vielen Varianten möglicher Traumafolgen (zusammengefasst unter den Diagnosen “posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)”, “Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extermbelastung” und “komplexe PTBS” ) und auch nicht über die vielen Facetten einer geeigneten Behandlung geben. Ich möchte hier nur diese dringende Empfehlung aussprechen: Wenn Sie vermuten, ein unerträgliches Erlebnis erlitten zu haben - egal ob kürzlich oder weit zurückliegend - , suchen Sie sich fachlichen Beistand und warten Sie nicht auf die Gnade des Vergessens!  Die Teile unseres Gehirns, die für Ängste zuständig sind, vergessen leider nicht.

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